LEBEN 20 meditaxa 100 | Februar 2022 Feste feiern Am besten war damals doch die unorganisierte, spontane Party, an die sich jede und jeder gerne erinnert. Der Nachbar schleppte eine Flasche Wein an, die er für einen besonderen Anlass reserviert hatte. Die Freundin brachte ein paar Häpp- chen mit, die eigentlich nur bessere Cracker mit Käse waren. Alle haben sich gegenseitig Zettel an die Stirn geklebt mit Namen prominenter Persönlichkeiten, die man versuchen musste, durch Fragen herauszufi nden; denn nur die anderen wussten, wer man war. Die Initiative dazu kam natürlich von der entfernten Cousine und ihrem Mann. Was wurde gelacht an diesem Abend und natürlich kam der Wunsch auf, das bald zu wiederholen. Aber kann man so etwas überhaupt neu aufl egen? Es gelingt wohl am besten, wenn niemand im Stress ist, perfekte Gast- geber sein zu müssen. Um Feste zu feiern, wie sie fallen (oder auch mal nachzuhelfen), sollte man vereinbaren, dass jeder das macht, was sie oder er am besten kann: einen Salat zu- bereiten, den Kaff eeklatsch mit selbstgebackenem Kuchen versüßen, passende Musik aussuchen oder schlicht gute Laune verbreiten. Aufseiten der Gastgeber gehört hier ein bisschen (De-)Mut dazu, nicht alle Fäden in der Hand zu haben, aber das Gute daran ist, dass niemand alles machen muss und nie- mand nichts. Normalerweise ist es ja so, dass ein Fest nicht nur an dem einen bestimmten Termin stattfi ndet. Erst gehen etliche Tage für die Vorbereitung drauf und dann gibt es noch den „Katertag“ danach, an dem man alles wegräumen muss. Wenn man Letzteres zusammen mit den Gästen erledigt, kann es sogar Spaß machen – vorausgesetzt, die Gastgeber lassen es zu. Da die besten Party bekanntlich in der Küche stattfi nden, kann man das Feiern gleich dorthin verlegen. Nach der Ab- stimmung darüber, was kredenzt werden soll, teilt man das Einkaufen der Zutaten auf, aber gekocht wird gemeinsam. Es macht einfach mehr Spaß, als wenn man allein für die Menü- folge verantwortlich ist. Bekennende Inhaber zwei linker Hände sind als Helferlein immer gern gesehen und genauso gefragt wie versierte Köche. Meist ergeben sich so die besten Gespräche: nie wurde tiefsinniger philosophiert oder mehr gelacht als beim Rühren in der Tomatensoße. Wenn man allerdings davon überzeugt ist, dass trotz guter Zutaten und den besten Rezepten nichts Genießbares beim gemeinsamen Kochen herauskommen kann, kann ein Koch auch gemietet werden, der in die eigene Wohnung kommt und dort Lecke- reien zaubert. Oder man grei einfach auf das Catering seines Vertrauens zurück. Wer meint, einer lockeren und ausgelassenen Stimmung etwas auf die Sprünge helfen zu müssen, kann dem Feiern ein Motto geben. Anlässe bieten nicht nur äußere, vorgegebene Ausnahmezeiten wie Karneval oder Halloween, ein eigens geschaff ener Grund zum Aussteigen aus dem Alltag ist meist sogar die beste Intention. Mit „Fehlkauf “, „Ich vor 20 Jahren“, „B-Prominenz“ oder anderen schrägen emen regt man zum Nachdenken an, wie jede und jeder Einzelne es umsetzen könnte. Dabei sollte man es den Gästen überlassen, ob sie sich – je nach Temperament – komplett verwandeln wollen oder „nur“ ein witziges Accessoire mit sich tragen. Sind die Gäste mehrheitlich Verkleidungsmuff el, sollte man lieber auf Mot- tos verzichten oder auf solche zurückgreifen, die leicht um- zusetzen sind, wie etwa Farben. Beliebt ist hierbei die Party „in Weiß“. Sobald die Temperaturen wärmer werden und man wieder draußen feiern kann, könnte man die etwas in Vergessenheit geratene Form des Picknicks aufgreifen. Das eignet sich schon jeher dafür, dass die „Picknicker“ etwas Leckeres mitbringen. Für alle, die weder Lust auf Sitzen im feuchten Gras haben, noch einen Gutteil des eigenen Haushalts durch die Gegend schleppen möchten, wären selbstorganisierte „Straßenf este“ eine Alternative. Dazu braucht man lediglich Stühle und Tische für den Eigenbedarf sowie nette Nachbarn, die gerne mit von der Partie sind. Denn das Essen wird bei Gastrono- men vor Ort bestellt, die im besten Fall auch liefern. Vor der eigenen Haustür sitzend kann man genügend Abstand ein- halten und hat immer noch die Möglichkeit, mit den lieben Menschen von „jenseits des Gartenzauns“ zu plauschen. In Zeiten der Pandemie ist die Sehnsucht, aus dem Alltag auszusteigen, unglaublich groß. Daher muss es nicht der ganz große Rahmen sein, den man vielleicht zuvor gewohnt war. Auch wenige Gäste – so wie eben aktuell zulässig – reichen aus, um gemeinsam ein paar schöne Stunden zu verbringen. Denn gute Freunde, nette Nachbarn oder geschätzte Kolle- gen zu haben ist Grund genug, sich zu freuen und zu feiern. Da wird die Feier unvergesslich, ganz von allein.