meditaxa 106 | August 2023 23 PRAXISNAH die erzeugten Datenmengen, allein durch die Trainings der KI, die zunehmende Rechenleistung und die Speicherung immer größerer Datenmengen sowie den gesteigerten Energiebedarf gibt es aktuell nicht. „Ohne aktive politische Gestaltung wird der digitale Wandel den Ressourcen- und Energieverbrauch sowie die Schädigung von Umwelt und Klima weiter beschleu- nigen“, warnt u. a. der Wissenschaliche Beirat der Bundes- regierung Globale Umweltveränderungen (WBGU): Es müssen Bedingungen geschaffen werden, um die Digitalisierung in den Dienst nachhaltiger Entwicklung zu stellen. Kleine Fußabdrücke – große Wirkung Solange Lösungen im großen Stil auf sich warten lassen, kann man viele kleine Schritte in Richtung Klimaschutz und Nachhal- tigkeit tun: Ärzte können mit gutem Beispiel vorangehen und den CO2-Ausstoß ihrer Praxen verringern. Zunächst sollte die Hard- ware dem Bedarf entsprechen. Ist der energieineffiziente 45 Zoll curved Monitor am Arbeitsplatz notwendig? Denn in Relation zu „normal“ großen Bildschirmen ziehen diese um einiges mehr Strom. Die digitale Patientenversorgung am Empfang benötigt keine leistungsstarke Grafikkarte wie z. B. Designer oder Gamer sie verwenden. Eine Bedarfsanalyse durch einen IT-Dienstleis- ter hil, Energie und damit CO2-Emissionen sowie Kosten zu sparen. Für die EDV-Ausstattung mit „Grüner Hardware“ und -Komponenten gibt es zuverlässige Anbieter. Denn grundsätz- lich sollte die Langlebigkeit angestrebt werden, um Ressourcen zu schonen und Elektroschrott zu vermeiden. Die Soware- Entwicklung sieht das größtenteils leider anders. Man kann ge- plante Obsoleszenz* vermuten, wenn z. B. die intakte Hardware aufgrund neu entwickelter Soware entsorgt werden muss. Neue Soware ist nicht ökologisch, wenn sie auf der alten Hardware oder den Komponenten nicht funktioniert. Ein Paradebeispiel sind Betriebssysteme: die nächste Generation benötigt viel mehr Prozessorleistung sowie Arbeitsspeicher- und Festplattenkapa- zität. Im Endeffekt muss ein neuer PC angescha werden, um die Arbeit fortzuführen. Sowareentwickler bedenken nicht, dass die Vielzahl neuer Funktionen nur von einer Minderheit genutzt wird. Abwärtskompatible Sowares mit auswählbaren Modulen, die beim Kauf oder nachträglich hinzugebucht wer- den können, wären revolutionär. Beispielhaes für nachhaltige Sowareentwicklung gibt es in der Webentwicklung aktuell von einem deutschen Hersteller, der auf Abwärtskompatibilität aller CMS*-Versionen, schlanker Datenverarbeitung in Back- und Frontend und modularer Erweiterungen für Entwickler und Endanwender setzt. Mit dem Umweltsiegel „Blauer Engel“ aus- gezeichnet gibt es nur den Open-Source*-Dokumentenbetrach- ter „Okular“. Wer sich hiervon inspirieren lässt, legt den Grund- stein für eine nachhaltige Digitalisierung. Den CO2-Fußabdruck klein halten, einige Tipps • Ökostrom nutzen – auch Provider und Mailanbieter kön- nen nachhaltig sein, z. B. Biohost (Naturstrom) oder Posteo (Greenpeace Energy) • Datenmüll adieu: Mails, Spam, Papierkorb organisieren und leeren sowie unnötige Newsletter abbestellen • Niedrige Auflösung bei Streaming/Videokonferenzen nutzen • Externen Festplatten- statt Cloudspeicher nutzen – hier spei- chert man eher nur wirklich Notwendiges. • Grüne Netzinteraktion: Ecosia.org als Suchmaschine wählen, die mit den Einnahmen aus Suchanzeigen Bäume pflanzt, (s. meditaxa 87/2018), Adblocker verwenden und auf sparsame Browser setzen, wie Seamonkey, Vivaldi oder UR Browser • Hardware-Einstellungen prüfen: Bildschirmschoner deakti- vieren, Stand-by und Helligkeit anpassen • Unnötige Stromversorgung unterbrechen: Unbenutzte Lade- kabel, Kippschalter bei Mehrfachsteckdosen verwenden, um Endgeräte nach Feierabend vom Strom zu nehmen, wenn die Stromversorgung nicht zwingend notwendig ist • Elektroschrott reduzieren – Hardware anschaffen, die auch in einzelnen Komponenten reparier- und aufrüstbar ist • „Grüne Hardware“ beziehen: Secondhand-EDV, nachhaltige Smartphones oder faires Zubehör • Abwägen: Wann ist der Einsatz von Papier umweltschonen- der und effizienter? Papier ist mit der richtigen Entsorgung ein stetiger Teil der Kreislaufwirtschaft. Und: der Trend in den Arztpraxen geht zurück zum Papier – denn so hat man wichtige Informationen zur Hand und nicht im Spamordner. meditaxa Redaktion | Quellen: bundesärztekammer.de, bitkom.de, gematik.de, klimawandel-gesundheit.de INFO Buchtipps: Christian Sarkar, Philip Kotler, Enrico Foglia: Regeneration: The Future of Community in a Permacrisis World Jeremy Rifkin: Der globale Green New Deal: Warum die fossil befeuerte Zivilisation um 2028 kollabiert – und ein kühner öko- nomischer Plan das Leben auf der Erde retten kann Anbieter für „Grüne Hardware“ und faires Zubehör: www.circulee.com | Secondhand-Hardware www.afbshop.de | Secondhand-Hardware www.second-it-store.de | Secondhand-Hardware www.fairphone.com oder www.shiftphones.com | nachhaltige Smartphones und Tablets www.memo.de | Büromaterial, Technik, Papier & Versand www.nager-it.de | faire Computermäuse * Bitkom: Branchenverband der deutschen Informations- und Telekommunikationsbranche, dessen übergeordnete Ziele es sind, Deutschland zu einem führenden Digitalstandort zu machen, die digitale Transformation der deutschen Wirtscha und Verwaltung voranzu- treiben, digitale Souveränität zu stärken und eine breite gesellschaliche Teilhabe an den digitalen Entwicklungen zu erreichen. * Kreislaufwirtscha: Modell der Produktion und des Verbrauchs, bei dem bestehende Materialien und Produkte so lange wie möglich geteilt, geleast, wiederverwendet, repariert, aufgearbeitet und recycelt werden. Auf diese Weise wird der Lebenszyklus der Produkte verlängert. * Obsoleszenz: Ist in der Wirtscha, besonders in der Industrie, das Veralten von Produkten – oder auch von Wissen – durch die begrenzte Haltbarkeit technischer Bauteile und den Wandel von Mode oder technischem Fortschritt. * Open-Source-Soware: Ihr Quelltext ist öffentlich und kann von Dritten eingesehen, geändert und unter Einhaltung der Lizenzbedingungen meist kostenlos genutzt werden. * CMS: Content Management System – Redaktionssystem zur Erstellung von Websites.