Wer hat im Scheidungsfall Recht auf Akteneinsicht?

02.02.2023

Ärzte unterliegen der Dokumentationspflicht: Alles, was die Behandlung von Patienten betrifft, muss in der jeweiligen Patientenakte festgehalten werden. Das Recht die eigene Patientenakte einsehen zu können, haben alle Patienten. Bei Minderjährigen obliegt dies den sorgeberechtigten Eltern. Familienrechtliche Auseinandersetzungen können sich spätestens dann auf das Arzt-Patienten-Verhältnis auswirken, wenn es um minderjährige Patienten geht, zum Beispiel, wenn die Eltern getrennt leben, aber das gemeinsame Sorgerecht ausüben.

Verlangt ein Elternteil in diesem Fall Informationen über die Behandlung seines Kindes, während der andere Elternteil die Einsichtnahme verhindern will, stehen Ärzte vor einem Dilemma:
Ein Vater, geschieden und sorgeberechtigt, willigte in die psychotherapeutische Behandlung seines minderjährigen Sohnes auf Anraten der Kindsmutter ein. Nähere Informationen zum Beginn und Verlauf der Behandlung erhielt der Vater aber nicht, zudem stritten sich die Eltern seit einiger Zeit um das Umgangsrecht. Der Vater bat den behandelnden Therapeuten um Kopien der Behandlungsunterlagen – dieser verweigerte die Aushändigung. Als Begründung bezog er sich auf die Justitiarin seines Berufsverbandes, nach deren Rechtsauffassung er dafür das Einverständnis der Mutter benötigte, welches sie verweigerte. Der Mann erhob Klage vor dem Amtsgericht Siegen und gewann. Das Urteil gestand ihm gemäß § 630g Abs. 1 S. 1 BGB das Recht auf Einsicht in die Patientenakte seines Sohnes zu. Eine solche Einsicht dürfe der Behandler nur dann verweigern, wenn therapeutische Gründe entgegenstünden oder „erhebliche Rechte Dritter“ tangiert seien. Musterbeispiele hierfür sind Fälle, in denen aufgrund der Kenntnisnahme die Gefahr einer erheblichen Selbstschädigung des Patienten anzunehmen ist. Solche Gründe hatte der Therapeut im konkreten Fall aber nicht dargelegt.

Quelle: Amtsgericht Siegen, Urteil vom 20.05.2021, Az. 14 C 1101/20


HINWEIS

Auch die Schweigepflicht stehe dem Auskunftsanspruch nicht entgegen, so das Gericht. Wegen der Personensorge für ihre Kinder seien Eltern befugt, über deren persönlichen Verhältnisse umfassend informiert zu sein. Andernfalls könnten sie ihr Sorgerecht nicht ausüben und ihrer Fürsorge- und Erziehungspflicht nicht nachkommen. Zwar stehe einem minderjährigen Patienten gegenüber den Eltern ein Recht auf informationelle Selbstbestimmung zu, das gegen die Rechte des Sorgeberechtigten abzuwägen sei. Je nach Alter des minderjährigen Patienten (Kleinkinder) ergebe diese Abwägung allerdings, dass sie nicht ohne Beteiligung des Sorgeberechtigten möglich sei.

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