An der korrekten Dokumentation führt kein Weg vorbei

01.02.2023

Eine richtige und vollständige Dokumentation ist die Grundlage für die
Honorarabrechnung. Doch wie hat eine korrekte Dokumentation auszusehen?

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Vertragsärzte müssen nach § 294 Sozialgesetzbuch V (SGB V) Versicherungsleistungen so erbringen, dass alle Angaben aufgezeichnet werden, die Krankenkassen und Kassenärztliche Vereinigungen (KV) zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen. Art und Umfang der notwendigen Angaben im Einzelfall hängen von vielen Faktoren ab – Behandlungsart, Patientenaufklärung, mögliche Komplikationen, usw. – das Gesetz hält hier keine pauschalen Regelungen bereit. Grundsätzlich sind Erstellung und Aufbewahrung einer korrekten und vollständigen Dokumentation sowohl auf Papier als auch elektronisch möglich (§ 630f Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)).
Für beide Formen der Dokumentation müssen bei Änderungen von Eintragungen in der Patientenakte sowohl der ursprüngliche Inhalt einer geänderten Eintragung, als auch der Zeitpunkt der betreffenden Änderung eindeutig feststehen (§ 630f Abs. 1 Satz 2 BGB). Diese Anforderung gilt ausdrücklich für elektronisch geführte Patientenakten (§ 630f Abs. 1 Satz 3 BGB).

Elektronische Dokumentation: Ersatz für die Patientenakte in Papierform?
Der vollwertige und allgemeine Ersatz von Papierakten gestaltet sich in jedem Fall schwierig, wenn z. B. Originale von elektronisch erfassten Unterlagen nicht mehr vorhanden sind. Kritisch ist bei elektronischen Dokumentationen vor allem die Abänderbarkeit der Angaben und Rückdatierung. Diese können unter Umständen für Dritte weder erkenn- noch nachvollziehbar sein. Bei der Erstellung und Aufbewahrung elektronischer Dokumentationen müssen die rechtlichen Anforderungen unbedingt beachtet werden, sonst kann die Honorarabrechnung zurückgewiesen werden.

Verbindlichkeit und Beweiskraft: Signaturen, Siegel, Zeitstempel und mehr
Das Signaturgesetz (SigG) und die Signaturverordnung (SigV) sollten ursprünglich mit elektronischen Signaturen (eSignaturen) und elektronischen Zeitstempeln (eZeitstempeln) sicherstellen, dass elektronische Dokumente rechtlich die gleiche Verbindlichkeit und Beweiskraft wie Dokumente in Papierform haben können, sofern die elektronischen Akten auch alle Anforderungen in jedem Einzelfall erfüllen.
Durch die „Verordnung über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt“ (sog. eIDAS-Verordnung) wurden 2014 die Bestimmungen zur elektronischen Sicherheit auf EU-Ebene vereinheitlicht. 2017 ersetzten das Vertrauensdienstgesetz (VDG) und 2019 die Vertrauensdienstverordnung (VDV) das SigG und die SigV.
Das Recht für technische Sicherheit wurde durch das Zusammenwirken der EU-Verordnung, des VDG und der VDV auch für Ärzte um einiges komplizierter, da bislang nach SigG und SigV in Arztpraxen bei elektronischen Dokumentationen schwerpunktmäßig „nur“ die Bestimmungen für qualifizierte eSignaturen und eZeitstempel zu beachten waren.

Honorarrecht – Auswirkungen neuer Regelungen auf elektronische Dokumentation und Honorarabrechnung:
Zur Sicherstellung der Gültigkeit verwendeter elektronischer Signaturen, Siegel oder Zeitstempel trifft die eIDAS-Verordnung umfangreiche Bestimmungen zu deren Validierung mithilfe qualifizierter Validierungs- und Bewahrungsdienste (Art. 32-34, Art. 40 eIDAS-Verordnung).


HINWEIS

§ 630f Abs. 1 Satz 1 BGB trifft keine Aussagen in Bezug auf Regularien für elektronisch geführte Patientenakten, damit diese als rechtskonform gelten. Hier ist zu beachten, dass elektronische Signaturen, Siegel und Zeitstempel ihre Wirkung als elektronisches Dokument mit Beweiskraft verlieren können, z. B. wenn der Algorithmus, der einer Signatur, einem Siegel oder einem Zeitstempel zugrunde liegt, nach neuen technischen Standards nicht mehr als sicher gilt.

Vertragsärzte sind nach § 295 Abs. 1a SGB V dazu verpflichtet, der KV Patientenakten im Rahmen der Abrechnungsprüfung nach § 106d SGB V vorzulegen. Stellt die KV bei der Abrechnungsprüfung fest, dass sich eine Honorarabrechnung auf eine elektronische Dokumentation stützt, die gegen die Regelungen der eIDAS-Verordnung verstößt, ist die KV gezwungen, die Honorarabrechnung zurück zu weisen.


HINWEIS

Eine Verordnung ist in jedem Mitgliedstaat der EU unmittelbar anwendbares Recht und geht vor dem innerstaatlichen Recht eines jeden EU-Staats (Anwendungsvorrang des EU-Rechts). Alle EU-Mitgliedstaaten inklusive ihrer Behörden müssen nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) für eine wirksame Durchsetzung des EU-Rechts in ihrem Staat sorgen.

Aufgrund des Anwendungsvorrangs und der wirksamen Durchsetzung des EU-Rechts kann die KV eine ärztliche Honorarabrechnung bzw. eine elektronische Dokumentation nicht akzeptieren, wenn diese gegen verbindliche EU-Rechtsnormen verstößt.

Elektronische Dokumentation und elektronische Übermittlung von Abrechnungen an die KV:
Die elektronische Abrechnungsübermittlung von Niedergelassenen an die KV basiert auf der elektronischen Erfassung von Dokumentationen. Nach § 295 Abs. 4 SGB V übermitteln Vertragsärzte die nach § 294 SGB V notwendigen Angaben an die KV elektronisch mit dem Übermittlungsverfahren der Gesellschaft für Telematik (§ 311 Abs. 6 SGB V).


HINWEIS

Eine Patientenakte nur in Papierform, ohne Erfassung und Übermittlung von gesetzlichen Mindestangaben in elektronischer Form, würde gegen das Gesetz verstoßen und eine ordnungsgemäße Honorarabrechnung gegenüber der KV verhindern.

Vertragsärzte müssen für eine ordnungsgemäße und vollständige elektronische Übermittlung an die KV mindestens folgende Daten (nach § 295 Abs. 1 SGB V) elektronisch erfassen:

  • erbrachte Leistungen
  • Tag der Behandlung
  • Uhrzeit der Behandlung, wenn diese für die Überprüfung der Zulässigkeit und Richtigkeit der Abrechnung notwendig ist
  • Diagnose der Behandlung
  • die auf der elektronischen Gesundheitskarte des behandelten Patienten gespeicherten Daten nach § 291a Abs. 2 Nr. 1 bis 10 SGB V
Zusätzlich verlangt § 630f Abs. 2 Satz 1, 2 BGB folgende Daten innerhalb der elektronischen Patientenakte:
  • Anamnese und Diagnosen
  • Untersuchungen und Untersuchungsergebnisse
  • Befunde
  • Therapien/Eingriffe und ihre Wirkungen
  • Aufklärungen und Einwilligungen
  • Arztbriefe

Im Falle einer Zurückweisung der KV gestaltet sich der Nachweis einer ordnungsgemäßen Honorarabrechnung schwierig, wenn es keine elektronische Dokumentation mit der erforderlichen Datensicherheit gibt. Niedergelassene kommen demnach nicht an einer korrekten elektronischen Dokumentation und ihren Mindestanforderungen vorbei, wenn sie Konflikte bei der Abrechnung vermeiden wollen.