„Online-Ärztin“ vor Approbationsverlust

09.05.2023

Für die Feststellung der Berufsunwürdigkeit von Ärzten ist es unerheblich, ob die vorgeworfene gravierende Verfehlung auch strafbewehrt oder gar strafrechtlich geahndet worden ist. Schon nach dem Wortlaut des § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BÄO wird nur ein „Verhalten“ entsprechender Ärzte verlangt, aus dem sich die Unwürdigkeit ergibt. Einen rein „digitalen Praxissitz“ für Ärzte sieht das Gesetz nicht vor.

Wer in übermäßig vielen Fällen (hier: mindestens 80.000) ein Online-Verfahren anwendet, bei dem auf der Grundlage angeklickter, vorbezeichneter Antwortmöglichkeiten automatisiert erstellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (AUB) – im PDF-Format und mit ärztlicher Faksimile-Unterschrift versehen – erstellt und ausgegeben werden, verstößt gegen die Berufspflicht nach § 25 der Berufsordnung der Hamburger Ärztinnen und Ärzte (BO-H, entsprechend § 25 MBO-Ä). Mit der danach anzulegenden notwendigen Sorgfalt bei der Ausstellung ärztlicher Atteste ist es ebenso wenig vereinbar, dass die Ärztin bzw. der Arzt vollkommen kontaktlos, ausschließlich auf der Basis eines Online-Fragebogens die Arbeitsunfähigkeit feststellt.

Die Verwendung eines standardisierten Online-Formulars zur Erlangung einer AUB stellt auch keine Behandlung im Sinne des § 7 Abs. 3 S. 3 der BO-H (entsprechend § 7 Abs. 4 S. 3 MBO-Ä) dar, weil es an einem individuellen Austausch im Wege der Nutzung irgendeines Kommunikationsmediums zwischen Patienten und Ärzten fehlt.

Quelle: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 15.12.2022 – 3 Bs 78/22