05.05.2023
Um die ambulante ärztliche Versorgung in bestimmten Gebieten sicherzustellen, werden junge Ärzte mitunter mit Stipendien angeworben, um sich bei ihrer Berufsausübung – zeitlich befristet – an eine bestimmte Region zu binden. Wann derartige Stipendien steuerfrei bezogen werden können, hat nun der Bundesfinanzhof (BFH) geklärt. Zu beurteilen war ein Stipendium über 15.000 Euro, das die „Stiftung zur Förderung der ambulanten ärztlichen Versorgung im Freistaat Thüringen“ einer Ärztin während ihrer Facharztausbildung gewährt hatte. Durch dieses sogenannte Thüringen-Stipendium sollte die Medizinerin an eine Niederlassung im Freistaat Thüringen gebunden werden. Konkret sah der Fördervertrag vor, dass sich die Stipendiatin verpflichtet, nach ihrer Facharztprüfung für mindestens vier Jahre als Hausärztin an der vertragsärztlichen Versorgung in Thüringen teilzunehmen.
Der BFH hat entschieden, dass das Stipendium steuerfrei bezogen werden kann. Es lagen nach Gerichtsmeinung keine Lohneinkünfte vor, da die Zahlung nicht für ein gegenwärtiges oder zukünftiges Dienstverhältnis der Klägerin geleistet worden war. Auch eine Besteuerung als Gewinn aus selbständiger Arbeit schied aus, da die Zahlung nicht in Zusammenhang mit einem ersten freiberuflichen Tätigwerden stand. Anders als die Vorinstanz meinte, musste das Stipendium nach Ansicht des BFH auch nicht als sonstige Leistung versteuert werden.
HINWEIS
Eine sonstige Leistung ist jedes Tun, Dulden oder Unterlassen, das Gegenstand eines entgeltlichen Vertrags sein kann und eine Gegenleistung auslöst.
Die Vorinstanz hatte entschieden, dass die Leistung für ein „Tun“ gezahlt wurde, und zwar für die mindestens vierjährige Berufsausübung im Freistaat Thüringen. Auch ein „Unterlassen“ werde honoriert, nämlich in Gestalt des Wettbewerbsverbots, in dieser Zeit nicht außerhalb des Freistaats tätig zu werden. Der BFH urteilte jedoch, dass ein Zusammenhang mit solch einem „Tun“ bzw. „Unterlassen“ bei dem Stipendium nicht gegeben sei, da es nach dem Fördervertrag bereits gezahlt werde, wenn lediglich die Bereitschaft bzw. Verpflichtung zur zukünftigen Berufsausübung im Freistaat Thüringen erklärt werde. Die zukünftige Berufsausübung selbst sei nicht der Grund für die Zahlung, sie spiele erst eine Rolle, wenn später das „Behaltendürfen“ der Einmalzahlung zu beurteilen sei.
HINWEIS
Das Urteil zeigt, dass es für die steuerliche Einordnung eines Stipendiums auf die konkreten Bedingungen im Fördervertrag ankommt. Hierbei muss insbesondere in den Blick genommen werden, wofür das Stipendium genau gewährt wird.
Quelle: BFH, Urt. v. 11.12.2020 – IX R 33/18