07.08.2023
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Häufen sich Anzeichen für eine anbahnende finanzielle Krise der Arztpraxis, müssen Betroffene rechtzeitig handeln. Mitglied der meditaxa Group e. V. Dr. Ralf Erich Schauer erklärt, wie man frühzeitig auf eine finanzielle Krise reagieren kann und sich im Härtefall verhalten sollte.
Welche Maßnahmen können Betroffene in finanziellen Krisenzeiten sofort ergreifen?
Dr. Schauer: Im ersten Schritt muss die Liquidität wieder verbessert werden. Dazu gibt es folgende Möglichkeiten:
Gehen wir vom schlimmsten Fall aus – die sofortigen Maßnahmen reichen nicht aus, um aus den roten Zahlen zu kommen. Was dann?
Dr. Schauer: Es muss ein tragfähiges Sanierungskonzept her, bevor es zu einer Überschuldung oder sogar Zahlungsunfähigkeit kommt.
Was beinhaltet ein Sanierungskonzept?
Dr. Schauer: Ein Sanierungskonzept enthält eine Analyse der wirtschaftlichen Lage der Praxis, erfasst die Krisenursachen und beurteilt die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage. Hier sind Betroffene auf die Mitwirkung der Gläubiger – in erster Linie der Banken – angewiesen. Aus diesem Konzept zeichnet sich entweder eine Sanierungsfähigkeit ab, oder eben nicht.
Welche Rolle spielt die Sanierungsfähigkeit?
Dr. Schauer: Sie ist ausschlaggebend, denn sie zeigt, ob ein nachhaltiger Überschuss der Einnahmen über die Ausgaben nach der Sanierung der Praxis erzielt werden kann. Sie ist also das oberste Ziel des Sanierungskonzeptes für alle Beteiligten. Wenn die Sanierungsfähigkeit unzureichend dargelegt wird, werden die Gläubiger nicht bereit sein, ihren Beitrag zur Sanierung der Praxis zu leisten. Was auch die Chance auf eine Teilschuldbefreiung bestehender Forderungen und die Vergabe von neuen Krediten zunichtemacht.
Wenn die Darlegung der Sanierungsfähigkeit scheitert, worauf sollte man sich einstellen?
Dr. Schauer: Man sollte sich bei ernsthaften Krisen über die Option Insolvenzverfahren informieren, wenn alle anderen Optionen zur eigenständigen Bewältigung der Krise im zeitlichen und rechtlichen Rahmen ausgeschöpft sind und man übereinstimmend mit seinen Beratern zu dem Schluss kommt, dass es die beste Möglichkeit ist.
Was gibt es vor dem drohenden Insolvenzverfahren zu beachten?
Dr. Schauer: Führt der Weg ins Insolvenzverfahren, ist in puncto Vermögen Vorsicht geboten, vor allem in Bezug auf Vermögensverschiebungen. Nach deutschem Recht sind viele Vorgaben zu beachten, die Vermögensverschiebungen unter Strafe stellen. Ist das Kind bereits in den Brunnen gefallen, können diese Regelungen u. U. aber auch erlauben, eine Vermögensverschiebung wieder rückgängig zu machen. Nämlich wenn diese Verschiebung eine Benachteiligung der Gläubiger der insolvenzgefährdeten Person bedeutet.
Mit welchen Strafen ist bei Fehlverhalten zu rechnen?
Dr. Schauer: Schafft man Vermögen beiseite, das bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens eigentlich zur Insolvenzmasse gehören würde, kann man mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder einer Geldstrafe rechnen. Gleiches gilt für Zahlungsunfähige, die ihre geschäftlichen Vermögensverhältnisse verschleiern. Auch diejenigen, die entgegen Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft ihr Vermögen verringern (§ 283 Abs. 1 StGB). In Härtefällen können nach § 283a StGB sogar Haftstrafen von bis zu zehn Jahren drohen. Auch Handlungen wie Gläubiger- oder Schuldnerbegünstigung stehen bei einer drohenden Zahlungsunfähigkeit unter Strafe (§ 283c und § 283d StGB).
Insolvenzverfahren freiwillig eröffnen – ja oder nein?
Dr. Schauer: Wenn alle rechtlich zulässigen Möglichkeiten ausgeschöpft sind und eine Insolvenz unausweichlich ist, sollte man nicht auf den Paukenschlag warten. Niedergelassene, die als Einzelunternehmer oder als Berufsausübungsgemeinschaft in der Rechtsform einer GbR* firmieren, sind nicht gesetzlich verpflichtet, einen Insolvenzantrag zu stellen. Haben sich Betroffene entsprechend gut mit Fachberatern auf die Situation vorbereitet, ist es durchaus sinnvoll, von sich aus den Insolvenzantrag zu stellen. Denn innerhalb der „Wohlverhaltensphase“ von sechs Jahren, die – einen sauberen Verlauf vorausgesetzt – auf drei Jahre verkürzt werden kann, können die angehäuften Schulden gewissermaßen erlassen werden.
Warten Schuldner zu lange mit dem Antrag, riskieren sie in den Verdacht einer Insolvenzverschleppung zu geraten. Dann kann die Befriedigung der Gläubiger durch eine vorsätzliche Verzögerung als grob fahrlässige Beeinträchtigung gewertet werden. So gefährdet man die mit dem Insolvenzverfahren angestrebte Restschuldbefreiung, die einem dann auch verwehrt werden kann.
Eine Krise kündigt sich in den meisten Fällen frühzeitig an und lässt Praxisinhabern einen gewissen Handlungsspielraum.
Dieser sollte rechtzeitig genutzt werden. Unumgänglich ist dabei Fachbeistand – Steuer- und Finanzberater sowie Anwälte sollten unbedingt miteinbezogen werden. Handelt man rechtzeitig, kann eine Krise überwunden werden, bevor man sich an einem Tisch mit einem Insolvenzberater und seinen Gläubigern wiederfindet.
IM INTERVIEW
Dr. Ralf Erich Schauer | Mitglied der meditaxa Group e. V.,
Steuerberater und Partner der Dr. Schauer
Steuerberater-Rechtsanwälte PartG mbB
www.dr-schauer.com