Regress-Festsetzung: fehlerhafte Ausstellung von Arzneiverordnungen

07.08.2023

Die Gemeinsamen Prüfeinrichtungen haben bei ihren Entscheidungen die im öffentlichen Recht entsprechend anzuwendenden Gebote von Treu und Glauben zu berücksichtigen. Rechtsmissbräuchliches Verhalten setzt dabei nicht zwingend ein subjektives Element wie Vorsatz oder Verschulden voraus. Die anerkannte Unterfallgruppe „exceptio doli praesentis“ greift ein, wenn die Rechtsausübung der Art oder den Begleitumständen nach ungehörig wäre oder kein schutzwürdiges Interesse an ihr besteht, so dass ihr einzig möglicher Zweck die Benachteiligung Betroffener ist. Vor diesem Hintergrund kann sich die Durchsetzung bestehender Regressansprüche nach Abwägung der widerstreitenden Interessen zwischen der antragstellenden Krankenkasse und der in Anspruch genommenen Person im Einzelfall als rechtsmissbräuchlich darstellen. Ergibt eine auf Antrag einer Krankenkasse durchgeführte Wirtschaftlichkeitsprüfung, dass ein zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ermächtigter Chefarzt vielfach Arzneiverordnungsblätter nicht persönlich unterzeichnet hat, stellt sich die Durchsetzung des bestehenden Regressanspruchs (hier über 250.000 Euro) betreffend die streitbefangenen Verordnungen ohne eigenhändige Unterschrift als ungehörig dar.

Quelle: SG Mainz, Urteil vom 07.12.2022 – S 3 KA 14/19