Was sind Praxisbesonderheiten?

04.11.2023

Praxisbesonderheiten können helfen, eine Nachforderung (landläufig „Regress”) zu vermeiden. Das Sozialgesetzbuch enthält keine Definition des Begriffes Praxisbesonderheiten.


Eine Praxisbesonderheit liegt vor, wenn bestimmte Umstände das Verordnungs- oder Behandlungsverhalten einer Arztpraxis beeinflussen, die in Praxen der gleichen Facharztgruppe nicht oder nicht in diesem Ausmaß auftreten. Praxisbesonderheiten können helfen, eine Nachforderung (landläufig „Regress”) zu vermeiden. Das Sozialgesetzbuch enthält keine Definition des Begriffes Praxisbesonderheiten. 

Nach der sozialgerichtlichen Rechtsprechung handelt es sich um:

  • in der Struktur der Arztpraxis liegende objektive Gegebenheiten,
  • die für die Fachgruppe von Art/Umfang her atypisch und
  • ursächlich für höhere Verordnungskosten sind.

Nachweis individueller Praxisbesonderheiten im Richtwertprüfverfahren
Jeder nachforderungsgefährdete Arzt hat die Möglichkeit, Praxisbesonderheiten im Rahmen eines laufenden Richtwertprüfverfahrens geltend zu machen, für die er dann allerdings die Beweislast trägt. Es ist deshalb immer zu empfehlen, alle aus Ihrer Sicht vorliegenden Besonderheiten in der Struktur der Praxis gesondert zu dokumentieren, um die Argumentation in einem möglichen Prüfverfahren zu erleichtern. Die Dokumentation sollte stets patientenbezogen erfolgen.

Angaben zur Dokumentation von Praxisbesonderheiten

  • Versichertennummer
  • Patientenname
  • Geburtsdatum
  • Diagnose (ICD-Schlüssel)
  • verordnete Arzneimittel ggf. mit Mengenangabe
  • Relevantes Quartal zur Bestimmung der Auszahlungsquote

Bei der Ermittlung von Praxisbesonderheiten ist hinsichtlich der Auszahlungsquote auf das Quartal, für das die Sonderregelung gefordert wird, abzustellen. Das Abstellen auf das vorjährige Aufsatzquartal würde zu einer einjährigen Anpassungsverzögerung führen, für die keine nachvollziehbaren Gründe bestehen, und begründet einen Ermessensfehler.

Dann liegt keine Praxisbesonderheit vor:
Die Spezialisierung von Zahnärzten im Bereich der Füllungsleistungen stellt keine Praxisbesonderheit dar: Die Untergliederung des bei der KZV Baden-Württemberg eingerichteten Gemeinsamen Beschwerdeausschusses in Kammern ist lediglich ein die Geschäftsführung betreffendes, organisatorisches Strukturelement, zu dessen Einrichtung § 1 Abs. 2 der Wirtschaftlichkeitsprüfungsverordnung vom 05.01.2004 auf der Grundlage des § 106 Abs. 4a S. 9 SGB V i.d.F. des GKV-WSG ermächtigt. Durch die organisatorische Unterstützung des Beschwerdeausschusses durch die Prüfungsstelle wird die Eigenständigkeit des Beschwerdeausschusses nicht in Frage gestellt.

Die Wahl einer statistischen Vergleichsprüfung einzelner zahnärztlicher Leistungen im konservierend chirurgischen Bereich und das Abstellen bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung auf den arithmetischen Mittelwert (anstelle der Anwendung der statistischen Methode der Gaußschen Normalverteilung) hält sich im Rahmen des Beurteilungsspielraums der Prüfgremien. Im Rahmen der vertragsärztlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung ist die Bildung engerer Vergleichsgruppen nur dann erforderlich, wenn sich die Behandlungsausrichtung und Behandlungsmethoden einer bestimmten Gruppe von Ärzten so nachhaltig von derjenigen anderer Ärzte unterscheiden, dass die Vergleichbarkeit der ersten Gruppe mit den Praxen der anderen Gruppe hinsichtlich der Zusammensetzung des Patientenklientels und damit der behandelten Gesundheitsstörungen nur noch eingeschränkt gegeben ist. Sofern atypische Praxisumstände der zu prüfenden Zahnärzte vorliegen oder geltend gemacht werden, steht den Prüfgremien ein Entscheidungsspielraum hinsichtlich der Beurteilung zu, ab welchem Ausmaß atypischer Praxisumstände sie eine engere Vergleichsgruppe bilden oder Praxisbesonderheiten annehmen und sachgerecht quantifizieren. Bei der Gruppe der Zahnärzte ist es wegen ihrer Homogenität und der Herausnahme eines großen Teils der zahnärztlichen Leistungen aus der (nachträglichen) Wirtschaftlichkeitsprüfung im Regelfall (anders als bei Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgen) nicht erforderlich, für die Prüfung nach Durchschnittswerten Untergruppen mit bestimmten Behandlungsschwerpunkten zu bilden.

meditaxa Redaktion | Quelle: Sozialgericht Marburg, Urteil vom 31.05.2023 – S 18 KA 133/22; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 17.05.2023 – L 5 KA 856/20