Das neue alte Recht der Personengesellschaften – Anpassungsbedarf bei (zahn)ärztlichen Gesellschaftsverträgen?

01.02.2024


Mit dem Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) vom 10. August 2021, das zum 01. Januar 2024 in Kraft getreten ist, hat der Gesetzgeber eine aus Sicht von Juristen längst überfällige Jahrhundertreform beschlossen. Das Gesetz ändert insgesamt 136 bestehende Gesetze und Verordnungen und bringt einen radikalen Wandel bei den gesetzlichen Regelungen der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR).

Die gesetzlichen Regelungen zur GbR stammen aus der Geburtsstunde des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), das zum 01. Januar 1900 in Kraft trat. Der Gesetzgeber hatte damals einen losen Zusammenschluss vor Augen, eine „Gelegenheitsgesellschaft“, die ebenso schnell endet, wie sie
entsteht. Nach der damaligen Vorstellung des Gesetzgebers war zum Beispiel ein Gesellschafterwechsel nicht möglich und die Kündigung bzw. der Tod eines Gesellschafters führte zur Auflösung der Gesellschaft. Die Fortführung der Gesellschaft durch die verbleibenden Gesellschafter war vom Gesetzgeber nur als Ausnahmen zur Regel vorgesehen.

Die GbR hat sich in den letzten 123 Jahren stark gewandelt und ist seit langer Zeit – gerade im freiberuflichen Bereich – aus dem Wirtschaftsleben nicht mehr wegzudenken. Die vom Gesetzgeber vorgesehenen Ausnahmen sind längst die Regel.
Die meisten Gesellschaften in der Rechtsform der GbR sind auf Dauer angelegte Zusammenschlüsse, die Unternehmen führen und dafür mehr Stabilität und Transparenz benötigen. Diese geänderten Bedürfnisse wurden nach und nach auch Teil der Rechtsordnung, indem die Rechtsprechung sich wandelte und die Gerichte die Regelungen zur GbR neu austarierten, teilweise gegen den Wortlaut des Gesetzestextes.
Ein besonders prominentes Beispiel ist eine Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2001 (Az: II ZR 331/00), in der festgestellt wurde, dass eine GbR rechtsfähig ist, also selbst Rechte und Pflichten erwerben kann. Die GbR selbst kann klagen und verklagt werden. Und die Gesellschafter einer GbR sind nicht Vertragspartner der Verträge der Gesellschaft, sondern haften nur für die Verbindlichkeiten der GbR. All dies hatte der Gesetzgeber aus dem 19. Jahrhundert nicht vor Augen. Diese Änderungen setzt das MoPeG nun ins Gesetz um und schreibt die Regelungen des BGB zur Gesellschaft in den Paragrafen 705 bis 740c neu.

Jedoch ist längst nicht alles, was hier neu formuliert worden ist, auch mit Auswirkungen auf die Praxis verbunden.
Bei einer GbR können die Gesellschafter ihre Verhältnisse untereinander im Wesentlichen frei gestalten. So haben die Gesellschaftsverträge entgegen dem gesetzlichen Leitbild diese gewandelten Vorstellungen in vielen Punkten bereits umgesetzt, unabhängig davon, was das Gesetz vorschrieb. Und vieles von dem, was nicht vertraglich geregelt werden konnte, wurde von der Rechtsprechung im Laufe der Zeit modernisiert und angepasst.

Was ist nun wirklich neu?

Viele bewährte Punkte lässt das neue Gesetz unverändert. Insbesondere ändert sich nichts an der persönlichen Haftung der Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft. Ebenso regelt das Gesetz grundsätzlich das Einstimmigkeitsprinzip für Entscheidungen im Gesellschafterkreis. Wenn die Gesellschafter Entscheidungen mit Mehrheitsprinzip treffen wollen, müssen sie das im Gesellschaftsvertrag vereinbaren. Auch die Informations- und Kontrollrechte der Gesellschafter bleiben unverändert.
Geändert haben sich die Ausscheidens- und Beendigungsregelungen, die in jedem Gesellschaftsvertrag eine entscheidende Rolle spielen sollten. Nach der neuen gesetzlichen Regelung führt das Ausscheiden eines Gesellschafters bzw. sein Tod nicht mehr zur Beendigung der Gesellschaft. Die Gesellschaft wird von den verbleibenden Gesellschaftern fortgeführt und der Ausgeschiedene erhält für den Verlust seiner Beteiligung eine Abfindung.
Nach der Neuregelung kann die Vertretungsbefugnis der Gesellschafter nicht mehr inhaltlich beschränkt werden (§ 720 Abs. 3 BGB). Bis zum 31. Dezember 2023 konnte der Gesellschaftsvertrag bestimmen, dass Gesellschafter nur dann berechtigt sein sollen, Geschäfte im Namen der Gesellschaft mit Dritten zu schließen, wenn die Geschäfte bestimmten Kriterien entsprechen, etwa eine bestimmte Summe nicht über steigen. Übersteigt das Geschäft die Summe, handelt der Gesellschafter ohne Vertretungsmacht und macht sich gegenüber seinem Vertragspartner schadenersatzpflichtig. Die Gesellschaft ist nicht verpflichtet, das Geschäft anzunehmen. Ob der Dritte von dieser Beschränkung der Vertretungsmacht weiß oder nicht, ist dabei unerheblich. Ihm konnte so ein Geschäft entzogen werden, auf das er sich verließ und weswegen er möglicherweise ein anderes Geschäft nicht abgeschlossen hat.
Dies ist zum Schutz des Dritten bei anderen Gesellschaftsformen nicht möglich und seit dem 01. Januar 2024 kann bei der GbR nur noch entschieden werden, ob ein Gesellschafter alle Geschäfte alleine abschließen kann, gemeinsam mit anderen Gesellschaftern oder gar nicht. Eine inhaltliche Differenzierung ist nicht mehr möglich.
Das MoPeG begründet auch viele weitere Änderungen, die aber eher juristisch-technischer Natur sind und in diesem Kontext nicht näher dargestellt werden sollen.

Eine völlige Neuheit – das Gesellschaftsregister

Eine entscheidende Neuerung ist die Einführung eines öffentlichen Registers für die GbR. Bei allen anderen Gesellschaftsformen wird die Transparenz durch eine Veröffentlichung der wesentlichen Daten der Gesellschaft im Handels- bzw. Partnerschaftsregister gewährleistet (kostenlos abrufbar über www.unternehmensregister.de). Auf diese Weise kann man die notwendigen Informationen über das Unternehmen sichten und prüfen, und dann informiert entscheiden, ob man mit dieser Gesellschaft in Geschäftsverbindungen treten will. Insbesondere die Vertretungsrechte werden im Register offengelegt, sodass es den nebenstehenden Fall mit dem Geschäftspartner, der nicht wissen konnte, dass der Gesellschafter keine Vertretungsbefugnis für das Geschäft hatte, nicht geben kann.

Seit dem 01. Januar 2024 gibt es das sog. Gesellschaftsregister – das Äquivalent zum Handels- oder Partnerschaftsregister. Die Eintragung ist hier anders als bei den anderen Gesellschaftsformen und für die GbR grundsätzlich nicht verpflichtend. Nur wenn die GbR zukünftig z. B. ein Grundstück oder GmbH-Anteile erwerben will, ist die Eintragung ins Gesellschaftsregister erforderlich. Die Eintragung einer GbR ins Gesellschaftsregister erfolgt durch eine notariell beglaubigte Anmeldung. Die Kosten hierfür bewegen sich in einem niedrigen dreistelligen Bereich. Als Mehrwert erhält die Gesellschaft die Transparenz ihrer Verhältnisse nach außen und damit eine gesteigerte Seriosität, da die Verhältnisse dokumentiert und die Geschäftspartner wissen, woran sie sind. Nach der Eintragung muss die Gesellschaft den Rechtsformzusatz „eingetragene Gesellschaft bürgerlichen Rechts“ oder „eGbR“ führen.

WICHTIG

Ärztliche und zahnärztliche Kooperationen, insbesondere Berufsausübungsgemeinschaften und MVZ-Betreibergesellschaften nehmen am wirtschaftlichen Geschäftsverkehr teil und sollten Transparenz zeigen im Hinblick auf ihren Gesellschafterbestand und ihre Vertretungsregelungen. Aus diesem Grund ist die Eintragung einer GbR in das neue Gesellschaftsregister empfehlenswert.

Hier besteht Handlungsbedarf

Für jede GbR stellt sich die Frage, ob aufgrund der Gesetzesänderung Anpassungen im Gesellschaftsvertrag erforderlich sind. Dies kann nicht pauschal beantwortetet werden und bedarf einer genauen Überprüfung. Bei Verträgen, die auf wesentliche Regelungen verzichtet haben bzw. auf die gesetzlichen Grundregeln verweisen, besteht unbedingt Handlungsbedarf. In jedem Fall sollte die Gesetzesreform zum Anlass genommen werden, die bestehenden Verträge auf ihre inhaltliche Konsistenz und Aktualität prüfen zu lassen.

Quelle: Andreas Köhler (RA), Dr. omas Rothammer (RA/StB)