Verschärfte Aufklärungspflichten für Verkäufer

29.04.2024


Was Immobilienverkäufer Interessenten vor dem Kauf einer Immobilie mitteilen müssen und was letztere vorab selbst zu prüfen haben, entschied er Bundesgerichtshof (BGH) im vergangenen Jahr.

Im konkreten Fall ging es um den Kauf einer Immobilie, bei der hohe Sanierungskosten anfielen. Die Klägerin erhielt während den Verkaufsverhandlungen einen Zugang zu einem virtuellen Datenraum mit verschiedenen Informationen zur Immobilie, die die Verkäuferin bereitgestellt hatte.
Der Datenraum enthielt auch ein Protokoll der Eigentümerversammlung, über die Besprechung der Sonderumlage. Nach dem Kauf wurde die Klägerin von den Miteigentümern aufgrund der Sonderumlage in Anspruch genommen, von deren Existenz sie vor Kaufabschluss allerdings nichts wusste. Sie hatte das entsprechende Dokument nicht selbst geprüft. Die Beklagte hatte das Protokoll, in dem die Sonderumlage diskutiert wurde, kurzfristig vor dem Wochenende im virtuellen Datenraum zur Verfügung gestellt, der Notartermin für den Verkauf fand bereits am darauffolgenden Montag statt. Die Klägerin forderte Schadensersatz, da sie der Ansicht war, dass die Verkäuferin sie nicht rechtzeitig und ausreichend über die drohende Sonderumlage in Höhe von bis zu 50 Millionen Euro informiert hatte und begründete ihren Anspruch mit Verstößen gegen § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2 Nr. 1 und § 241 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) aufgrund der Verletzung einer vorvertraglichen Aufklärungspflicht.
Das Oberlandgericht (OLG) Celle entschied, dass die Beschaffung und Prüfung aller notwendigen Informationen vor Vertragsabschluss in der Verantwortung der Käufer einer Immobilie liegen. Der BGH hob das Urteil auf und verwies den Fall wieder an das OLG und betonte, dass allein die Möglichkeit für Käufer, sich Informationen selbst zu beschaffen, nicht automatisch bedeutet, dass Verkäufer von ihren Offenbarungspflichten entbunden sind. Man könne zwar davon ausgehen, dass offensichtliche Mängel bei einer Besichtigung erkannt werden und keine gesonderte Aufklärung erforderlich ist, dies gilt jedoch nicht, wenn Verkäufer lediglich Unterlagen in einem virtuellen Datenraum zur Einsicht zur Verfügung stellen. Wie in diesem Fall können Verkäufer nicht erwarten, dass Käufer Finanzunterlagen oder einen Ordner mit Unterlagen zum Kaufobjekt auf Mängel hin durchsieht, so das Urteil des BGH.

HINWEIS

In seinem Urteil hat der BGH somit die Aufklärungspflichten für Immobilienverkäufer erheblich verstärkt. Zukünftig sind Verkäufer verpflichtet, Käufern gegenüber wichtige, ihnen bekannte Informationen zur Immobilie offen zu legen, die die Kaufentscheidung (maßgeblich) berühren. Dies gilt insbesondere für anstehende Sanierungsmaßnahmen und Sanierungskosten.
Der BGH hat klargestellt, dass allein die theoretische Möglichkeit für Käufer, bestimmte Informationen zu erlangen, Verkäufer nicht automatisch von ihrer Verantwortung entbindet. Es genügt nicht, kurz vor einem geplanten Vertragsabschluss relevante Dokumente in einen virtuellen Datenraum zu stellen, ohne konkret auf diese hinzuweisen. Die Aufklärungspflicht entfällt nur in bestimmten Ausnahmefällen, so die Vorsitzende Richterin des fünften Zivilsenats in Karlsruhe.

meditaxa Redaktion | Quelle: BGH Urteil vom 15.09.2023, Az. V ZR 77/22