01.11.2024
Vertragsärzte müssen Anfragen der gesetzlichen Krankenkassen oder des Medizinischen Dienstes (MD) beantworten – allerdings nur, wenn diese bestimmte formale und inhaltliche Anforderungen erfüllen.
Werden Ärzte von gesetzlichen Krankenkassen zu einer patientenbezogenen medizinischen Auskunft aufgefordert, erfolgt die Beantwortung der Anfragen i. d. R. auf den vereinbarten, nicht individualisierten Vordrucken. Ist das nicht der Fall und Ärzte erhalten formlose oder modifizierte Anfragen, kann die Beantwortung unter Umständen – mögliche Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht oder Verstoß gegen den Datenschutz – sogar verweigert werden. Hinzu kommt, dass diese Arbeiten oftmals mit erheblichem Verwaltungsaufwand, einschließlich umfangreicher Recherchen sowie Kosten, zum Beispiel für Kopien, verbunden sind.
Die zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und den Spitzenverbänden der Krankenkassen geschlossenen Bundesmantelverträge (BMV) einschließlich der Vordruckvereinbarungen regeln ergänzend zu den gesetzlichen Grundlagen die Modalitäten zur Auskunftserlaubnis und -verpflichtung gegenüber Dritten, darunter auch den gesetzlichen Krankenkassen. Vertragsärzte sind demnach grundsätzlich berechtigt und verpflichtet, Krankenkassen Bescheinigungen, Zeugnisse, Berichte und Gutachten zu erstellen sowie Auskünfte zu erteilen, wenn diese zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben dienen und ausschließlich auf den vereinbarten Vordrucken erfolgen. Diese sind an dem Aufdruck „Muster XY“ zu erkennen und müssen beantwortet werden. Werden hier allerdings zusätzliche Fragen gestellt oder Fragen geändert, entspricht der zusätzliche/geänderte Teil nicht mehr der Vordruckvereinbarung und kann unbeantwortet bleiben. Nicht vereinbarte Vordrucke dürfen Kassen nur in Ausnahmefällen einsetzen.
WICHTIG
Wollen Krankenkassen Informationen telefonisch einholen, ist unbedingt auf den schriftlichen Weg zu verweisen. So kann die Rechtmäßigkeit ausreichend geprüft werden. Über dieses Vorgehen sollten Praxisinhaber auch ihre Mitarbeiter informieren.
Vergütung von Anfragen der Krankenkassen
Die jeweilige Vergütung erfolgt nach den Leistungspositionen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM). Entsprechend sind bei Anfragen der Krankenkasse die Leistungspositionen auf den jeweiligen Vordrucken angegeben. Handelt es sich um „kurze“ Auskünfte und Bescheinigungen, bei denen weder ein besonderer Arbeitsaufwand noch gutachterliche Feststellungen erforderlich sind, enthält das Honorar der ärztlichen Leistung bereits die Vergütung für die Auskunft. Die Angabe der Leistungsposition entfällt auf dem Vordruck.
HINWEIS
Es gibt in diesem Zusammenhang keine vertraglich geregelte
Definition von „kurz“. Unter einer „kurzen“ Bescheinigung ist bspw. die Beantwortung weniger Fragen mit geringem administrativem Aufwand zu verstehen, z. B. bei einer AU, Verordnungen von häuslicher Krankenpflege oder einer Bescheinigung, um Krankengeld zu erhalten. Wenn Kopien von Befundberichten oder anderen Patientenunterlagen zusätzlich verschickt werden müssen, können Ärzte zumindest einen Auslagenersatz für Kopien und Porto verlangen.
Formlose Anfragen, nicht vereinbarte Vordrucke und unzulässige Anforderungen
Erhalten Vertragsärzte von Krankenkassen formlose Anfragen oder solche auf nicht vereinbarten Vordrucken oder zusätzliche Fragen auf vereinbarten Vordrucken, können diese entsprechend unbeantwortet zurückgeschickt oder nach vorheriger Einholung einer Kostenübernahmeerklärung der Krankenkasse an diese zurückgeschickt werden. Bei Anfragen, die nicht der Vordruckvereinbarung entsprechen, müssen Krankenkassen die Rechtsgrundlage für die Auskunftsverpflichtung angeben und mitteilen, nach welcher Gebührenordnungsposition des EBM die erbetene Information vergütet wird.
WICHTIG
Fehlen bei solchen Anfragen der Krankenkassen oder des MD die einschlägigen Bestimmungen des Sozialgesetzbuchs V
oder andere Rechtsvorschriften sowie die Angabe der Vergütung, können und sollten Ärzte die Auskunft verweigern. Ärzte dürfen persönliche Patientendaten nur bei gesetzlicher Erlaubnis, bei Pflicht zur Auskunftserteilung und mit Einwilligung des Patienten offenlegen (§ 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB), sonst liegt ein Verstoß gegen die ärztliche Schweigepflicht vor. Denn grundsätzlich besteht eine Verschwiegenheitsverpflichtung gegenüber Krankenkassen, dem MD und anderen Behörden.
Häufig angeforderte Informationen von Krankenkassen:
Fehlt es bei formlosen direkten Anfragen der Krankenkassen an einer Rechtsgrundlage, ist die Aushändigung zu verweigern. Zudem ist es bei der schriftlichen Zurückweisung ratsam, darauf hinzuweisen, dass nach Rechtsauffassung des Bundesbeauftragten für den Datenschutz* Krankenkassen nicht berechtigt sind, Detailberichte zu Kranken- und Behandlungsdaten für sich selbst anzufordern, selbst dann nicht, wenn die betroffene Person zugestimmt hat. Dadurch würden eindeutige gesetzliche Regelungen unterlaufen werden.
Begutachtung durch den MD
Anders verhält es sich, wenn die Krankenkasse im Anschreiben den Grund für die Begutachtung durch den MD nennt und einen bereits vollständig ausgefüllten Weiterleitungsbogen (Muster 86) zusendet, der unter anderem die Anschrift des MD, eine Vorgangsnummer und die Daten der Patientin oder des Patienten enthält. Das Muster 86 dient sowohl der richtigen Adressierung an den zuständigen MD, als auch der internen automatisierten Zuordnung der übermittelten Unterlagen zur versicherten Person beim MD.
HINWEIS
Patientenunterlagen im Vorfeld nur zur Abklärung anzufordern, ob der MD einzuschalten ist, ist unzulässig. Auch hier ist die Aushändigung an die fordernde Krankenkasse zu verweigern.
Für Vertragsärzte ist das Muster 86 verbindlich, die angeforderten Unterlagen werden in Kopie beigefügt und direkt an den MD geschickt. Für den Versand der Unterlagen an den MD stellt die Krankenkasse Ärzten einen Freiumschlag im verbindlichen Format C5 zur Verfügung.
Das Muster 86 ist nur dann nicht verbindlich, wenn die Anforderung direkt durch den MD erfolgt, oder die notwendigen Informationen für eine korrekte Adressierung und Zuordnung anderweitig vorliegen. Aber auch hier gilt: Der MD muss bei seiner Anfrage die Rechtsgrundlagen für seine Auskunftsberechtigung und die Auskunftsverpflichtung der Vertragsärzte angeben. Zusätzlich muss dargelegt werden, zu welchem Zweck die erbetene Auskunft im Rahmen der Aufgabenerfüllung benötigt wird. Auch hierfür erhalten Ärzte einen adressierten Freiumschlag zur Übersendung.
Weitere Auskunftsverpflichtungen von Ärzten ergeben sich aus den verschiedenen Sonderverträgen – z. B. aus Disease-Management-Programmen, der Hausarzt- oder integrierten Versorgung – und sind den jeweiligen Verträgen zu entnehmen. Darüber hinaus stehen Ärzte, Einrichtungen und Krankenhäuser, die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, nach § 294a SGB V in der Pflicht, entsprechende Daten an die Krankenkassen zu übermitteln, wenn es Anhaltspunkte gibt, dass Versicherte sich eine Krankheit vorsätzlich oder bei von ihnen begangenen Verbrechen oder vorsätzlichen Vergehen oder durch eine medizinisch nicht indizierte Schönheitsoperation oder Arten von Body-Modification (Tattoo, Piercing, etc.) zugezogen haben. Auch bei dem Verdacht, Patienten könnten Opfer einer Straftat geworden sein, es könnte eine Berufskrankheit oder ein Arbeitsunfall vorliegen, sind Ärzte zur Auskunft verpflichtet, damit Krankenkassen ihrerseits einen möglichen Regressanspruch gegenüber Dritten prüfen können.
HINWEIS
Bei Misshandlungen, Vernachlässigung oder Sexualstraftaten besteht – im Rahmen der Abrechnung – seit 2017 keine Mitteilungspflicht mehr gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen. § 294a Absatz 1 Satz 2 SGB V regelt den besonderen Schutz von Betroffenen und der ärztlichen Schweigepflicht. Bei volljährigen Versicherten ist eine Mitteilung an die Krankenkasse gestattet, wenn die betroffene Person ausdrücklich zugestimmt hat.
Zusammenfassend können Ärzte die Auskunft verweigern, wenn Krankenkassen Informationen:
Hier ist die Auskunftspflicht geboten:
Infos und Links der kbv:
Vordruckvereinbarungen und -erläuterungen: kbv.de/html/bundesmantelvertrag.php
Übersicht vereinbarter Vordrucke: kbv.de/html/formulare.php
meditaxa Redaktion/Quellen: kbv.de, SGB V, blaek.de, kvno.de
*19. Tätigkeitsbericht 2001 und 2002 des Bundesbeauftragten für den Datenschutz, S. 22, 1.13