12.11.2024
– wann Arbeitgeber Zuschläge bezahlen müssen
Vollzeitangestellte erhalten ab 38,5 Stunden wöchentlicher Arbeitszeit einen Überstundenzuschlag; dies gilt auch für Mitarbeiter in Teilzeit und ist in vielen Tarifverträgen – auch im Gehaltstarifvertrag für MFA (§ 6 Absatz 1 Manteltarifvertrag für Medizinische Fachangestellte/Arzthelferinnen) – so festgelegt.
Ein aktuelles Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) sieht in dieser Regelung eine Benachteiligung für Teilzeitbeschäftige (19.10.2023, Rs. C-660/20): Im konkreten Fall ging es um einen teilzeitbeschäftigten Piloten, dessen geltender Tarifvertrag Mehrarbeitszuschläge nur bei Überschreitung einer festen Zahl monatlich geleisteter Flugstunden knüpfte. Da die zeitlichen Grenzen für Voll- und Teilzeitbeschäftigte laut Tarifvertrag identisch waren, sah der Pilot hierin eine Benachteiligung für Teilzeitkräfte. Die Fluglinie rechtfertigte die einheitlichen Werte damit, dass dadurch besondere, von der individuell vereinbarten Arbeitszeit unabhängige Arbeitsbelastungen ausgeglichen werden. Der EuGH sah allerdings eine Benachteiligung der Teilzeitbeschäftigten, die den Überstundenzuschlag nur erhalten können, wenn die Grenze der Flugstunden für Vollzeitbeschäftigte überschritten wurde. Sofern im Einzelfall ausnahmsweise kein sachlicher Grund eine Ungleichbehandlung rechtfertige, werden die von Teilzeitangestellten zu leistenden Arbeitsstunden daher nach dem Pro-rata-temporis-Grundsatz zu reduzieren sein. Dass die Ungleichbehandlung von Voll- und Teilzeitmitarbeitern auf einen Tarifvertrag zurückgeht, kann laut EuGH nicht als Rechtfertigung dienen: Die unterschiedliche Gewährung von Zuschlägen müsse durch „genau bezeichnete, konkrete Umstände“ auf der Grundlage „objektiver und transparenter Kriterien“ zurückzuführen sein.
HINWEIS
Im Arbeitsrecht bedeutet pro rata temporis, dass Mitarbeiter für die tatsächlich geleistete Arbeitszeit bezahlt werden. Arbeitet eine Person in einem Monat nur halbtags, wird das Gehalt auf dieser Grundlage berechnet, basierend auf der Hälfte des Monats, in dem die Person gearbeitet hat.
Das Teilzeit- und Befristungsgesetz schreibt zwar vor, dass Angestellte wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden dürfen als vergleichbare Vollzeitbeschäftigte (§ 4 TzBfG), erlaubt aber Differenzierungen, wenn sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen.
Wann sachliche Gründe vorliegen, muss im Einzelfall geprüft werden. Einheitliche Schwellenwerte sind in deutschen Tarifvertragen gängig für die Bewertung von Mehrarbeit und Ärzte sollten vorerst abwarten, bevor sie die betrieblichen Regelungen zur Mehrarbeitsvergütung anpassen, da das Bundesarbeitsgericht den Fall des Piloten nun nach Maßgabe des EuGH-Urteils neu zu entscheiden hat.
meditaxa Redaktion