Missbrauch bei der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall

01.05.2025

Ein aktuelles Urteil des Bundesarbeitsgerichts stärkt die Position der Arbeitgeber, die Zweifel an aus Ländern außerhalb der EU stammen ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (AU) ihrer Mitarbeiter haben.


Insbesondere wenn es um die Verlängerung des Urlaubs durch eine Krankschreibung geht, die dann mit Entgeltfortzahlung kombiniert wird, fühlen sich viele Arbeitgeber benachteiligt.

Das BAG entschied, dass Arbeitgeber bei Zweifeln an der Authentizität von Krankschreibungen aus dem Ausland die Möglichkeit haben, die Umstände genauer zu prüfen. Gibt es Anhaltspunkte, die im Einzelfall harmlos erscheinen, aber insgesamt Zweifel am Wert des Attests aufwerfen, kann der Beweiswert der AU erschüttert werden.

Hintergrund: Ein Mitarbeiter verlangte nach einer Krankschreibung eines Arztes aus einem Nicht-EU-Land (Tunesien),  die sich unmittelbar an den Urlaub anschloss, Entgeltfortzahlung vom Arbeitgeber. Nach Angaben des Arztes war strenge häusliche Ruhe angemahnt und mangelnde Reisefähigkeit des Arbeitnehmers bescheinigt worden. Eine Wiedervorstellung wurde trotz 24-tägiger Krankschreibung nicht angeordnet. Der Arbeitnehmer reiste kurz nach Ausstellung der AU und damit während der angeblich mangelnden Reisefähigkeit nach Deutschland zurück und legte nach Ablauf der Dauer der Arbeitsunfähigkeit eine von einem deutschen Arzt ausgestellte Erstbescheinigung über weiterhin bestehende Arbeitsunfähigkeit vor. Der Arbeitnehmer hatte bereits in der Vergangenheit mehrfach im zeitlichen Zusammenhang mit seinem Urlaub Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgelegt. Der Arbeitgeber lehnte die Entgeltfortzahlung ab. Mit der beim Arbeitsgericht eingereichten Klage begehrte der  Arbeitnehmer Entgeltfortzahlung.

Der Fünfte Senat des BAG entschied, dass in solchen Fällen Arbeitgeber berechtigt sind,
die Bescheinigung zu hinterfragen und die Sache erneut zu prüfen.


Urteil des Bundesarbeitsgerichts: Tendenzen in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung gehen dahin, den sehr hohen Beweiswert einer ärztlichen AU von Arbeitgebern erschüttern zu lassen, wenn durch eine Gesamtbewertung der Umstände Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit betroffener Arbeitnehmer bestehen. Umstände können dabei im Rahmen der Gesamtbetrachtung auch dann zu Zweifeln führen, wenn diese in der Einzelbetrachtung unverfänglich sein mögen, aber in der  Gesamtschau ernsthafte Zweifel am Beweiswert der Bescheinigung begründen. Arbeitnehmer treffen dann im Rahmen der sekundären Darlegungslast eine Darlegungspflicht.

Bedeutung des Urteils für die (zahn-)ärztliche Praxis

Das Urteil reiht sich ein in eine Zeit, in der in Deutschland eine aktuelle Diskussion über steigende Krankenstände und sinkende Produktivität geführt wird, wobei von Teilen der Wirtschaft auch die Wiedereinführung von Karenztagen angeregt wird. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es durchaus lohnenswert sein kann, die Umstände des Einzelfalls bei auffälligen Arbeitsunfähigkeiten von Arbeitnehmern zu betrachten.

meditaxa Redaktion | Dr. Schauer | Quelle: BAG, Urteil vom 15. Januar 2025 – 5 AZR 284/24