01.05.2025
Mit einigen Regelungen aus dem Vierten Bürokratieentlastungsgesetz soll der digitale Umgang mit Arbeitsverträgen erleichtert werden.
Der formfreie Vertragsschluss: Grundsätzlich können Arbeitsverträge in jeglicher Form – mündlich oder stillschweigend durch schlüssiges Handeln – geschlossen werden, wenn die Einigung zwischen Arbeitgeber und -nehmer besteht. In mittelständischen Unternehmen bestehen teilweise Arbeitsverhältnisse seit Jahren oder Jahrzehnten, ohne dass jemals ein Arbeitsvertrag unterzeichnet wurde. Demnach war es schon immer zulässig, einen Arbeitsvertrag digital zu schließen.
Ein digitaler Vertragsschluss kann z. B. durch eine Unterschrift mittels Touchscreen in einem PDF-Dokument erfolgen, per E-Mail oder Messenger-Nachrichten. Theoretisch wäre auch eine Registrierung auf einer Plattform als Vertragsschluss denkbar, sofern Arbeitgeber und -nehmer willentlich einen Arbeitsvertrag zu den wesentlichen Arbeitsbedingungen abschließen wollen.
Das Nachweisgesetz (NachwG) sorgte bisher dafür, dass viele Arbeitsverträge schriftlich und durch persönliche Unterschrift des Arbeitsvertrags geschlossen wurden. Das NachwG regelt zwar nicht das Zustandekommen von Arbeitsverträgen, verlangt aber, dass Arbeitgeber Arbeitnehmern eine Aufstellung der wesentlichen Bedingungen des Arbeitsverhältnisses aushändigen. Hierunter fallen z. B. Name und Anschrift der Vertragsparteien, Beschreibung der Tätigkeit, Zusammensetzung und Höhe des Arbeitsentgelts und das Enddatum einer etwaigen Befristung*.
Ein Verstoß gegen das NachwG kann mit einer Geldbuße von bis zu 2.000 Euro geahndet werden. Der Nachweis gilt als erbracht, wenn die Konditionen im Arbeitsvertrag festgehalten sind und Arbeitnehmern ausgehändigt werden.
HINWEIS
Das NachwG sah bisher die Schriftform für den Nachweis und auch für die nachweisersetzende Vertragsurkunde (Arbeitsvertrag) vor, die eine Original-Unterschrift und den Zugang dieser Original-Unterschrift beim Gegenüber erfordert. Eine digitale Übermittlung, auch einer eingescannten Unterschrift, ist für die Schriftform unzureichend.
Dies hat der Gesetzgeber entschärft und es genügt ein Nachweis in Textform, wenn Arbeitnehmer keinen schriftlichen Nachweis verlangen. Entsprechend genügt als Nachweisersatz ein Arbeitsvertrag in Textform.
Die Textform ist in diesem Zusammenhang in § 126b BGB gesetzlich geregelt und beschreibt eine lesbare Erklärung, die dauerhaft aufbewahrt oder gespeichert werden kann. Darunter fallen auch Nachrichten per E-Mail, SMS oder Messenger-App, wenn die Person des Erklärenden bezeichnet oder aus der Nachricht erkennbar ist. Solange Empfänger wissen, von wem die Erklärung ist, kann auch der Vor- oder Spitzname ausreichend sein, der z. B. in der Absender-E-Mail-Adresse enthalten ist. Dann ist eine qualifizierte elektronische Signatur nicht erforderlich. Bei der telefonnummerngestützten Kommunikation, z. B. per SMS oder Messenger-Dienst, in der die Identität von Absendern nur in Form einer Nummer übermittelt wird, sollte zur Vermeidung von Unsicherheiten eine Namensnennung als Signatur in der Nachricht erfolgen.
Die Textform ist ohne weiteres erfüllt, wenn die Arbeitsvertragsparteien eine PDF-Datei digital unterschreiben, eine gescannte Unterschrift einfügen, oder wenn sie jeweils in einer E-Mail ihr verbindliches Einverständnis mit einem beigefügten Vertragsentwurf erklären. Arbeitgeber kommen ihren NachwG-Pflichten nach, solange Arbeitnehmer ein Exemplar des digitalen Vertrags bekommen.
Bei Ausbildungsverträgen hatte der Gesetzgeber mit Wirkung zum 01.08.2024 die Hürden der Schriftform beseitigt. Auch hier gab es nie ein Schriftformerfordernis für den Vertragsschluss. Die Parteien mussten aber den Vertragsinhalt noch vor Ausbildungsbeginn in einer beiderseits unterschriebenen Urkunde festhalten, was einem schriftlichen Vertrag nahekam. Nun genügt es, wenn der Ausbildungsbetrieb den Vertragsinhalt ähnlich dem NachwG in Textform abfasst, dem Auszubildenden übermittelt und dieser den Empfang des Dokuments bestätigt.
Ausnahmen von der Erleichterung bestehen konkret im Bau-, Gaststätten-, Beherbergungs-, Personenbeförderungs-, Speditions-, Transport- und damit verbundenen Logistikgewerbe sowie im Schausteller-, Gebäudereinigungs-, Prostitutions-, Wach-, Sicherheitsgewerbe und in Unternehmen der Forstwirtschaft, des Messebaus und der Fleischwirtschaft. Für diese Wirtschaftszweige, in denen laut § 2a Abs. 1 Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz bei der Arbeit ein Personalausweis o. ä. mitgeführt werden muss, hält der Gesetzgeber auch weiterhin am Nachweis in Schriftform fest und ein Vertrag in Textform genügt nicht als Nachweisersatz.
Auch außerhalb des NachwG gibt es Schriftformerfordernisse im Arbeitsrecht, die zu beachten sind: Befristete Arbeitsverträge müssen in Schriftform geschlossen werden, sonst ist die Befristung unwirksam und das Arbeitsverhältnis besteht über den Beendigungszeitpunkt fort. Nach dem Bürokratieentlastungsgesetz besteht nur die Befristung zum Renteneintritt, die nun in Textform zulässig ist, als Ausnahme.
WICHTIG
Die Erleichterungen zur Schriftform gelten nur für Vertragsabschlüsse – für Beendigungen ist die Schriftform weiterhin zwingend zu wahren. Erfolgen Kündigungen und Aufhebungsverträge nicht schriftlich, sind sie unwirksam.
Eine Besonderheit: Nachtrags- und Zusatzvereinbarungen und die Schriftformklausel
Im Laufe eines Arbeitsverhältnisses ändern sich häufig die Umstände und mit ihnen die Arbeitsvertragskonditionen – Gehaltserhöhungen, Boni, Dienstwagen oder -fahrrad, der Wechsel von Arbeit in Teil- oder Vollzeit. Der Arbeitsvertrag, auch der stillschweigend geschlossene, ist als Gesamtheit aller Vereinbarungen zwischen den Parteien zu den Konditionen zu verstehen. Diese Vereinbarungen können in beiderseitigem Einverständnis geändert werden. Hierunter fallen auch Zusatzvereinbarungen, die wie der Vertragsschluss formfrei möglich sind.
HINWEIS
Verträge enthalten oft Klauseln, wonach Änderungen nur in Schriftform möglich sein sollen. Grundsätzlich gilt es bei Änderungsvereinbarungen jeder Art vertraglich vereinbarte Formvorschriften einzuhalten, sodass eine Schriftformklausel einer digitalen Änderungsvereinbarung im Wege stehen könnte. Allerdings gelten Regelungen in Arbeitsverträgen, die nicht individuell ausgehandelt worden sind, als Allgemeine Geschäftsbedingungen im Rechtssinne und unterliegen einer strengen Kontrolle. Vor allem bestimmt § 305b BGB den sog. Vorrang der Individualabrede – eine individuell ausgehandelte Vereinbarung kann nicht an einer einseitig vorgegebenen Regelung scheitern.
Schriftformklauseln sind i. d. R. nicht Gegenstand von Vertragsverhandlungen wie z. B. Gehälter oder Arbeitszeiten und sollten keine Auswirkungen auf Nachträge haben. Eine Schriftformklausel, die den Vorrang von Individualabreden im Rahmen der Vertragsverhandlung in ihrer Formulierung nicht berücksichtigt, ist bereits deswegen unwirksam, weil sie eine falsche Rechtslage wiedergibt und damit intransparent ist – gleiches gilt für vertragliche Schriftformklauseln einer digital geschlossenen Nachtragsvereinbarung.
Schriftformklauseln in Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen unterliegen von Gesetzes wegen nicht den Kontrollmechanismen für Allgemeine Geschäftsbedingungen und treten daher auch nicht gegenüber Individualvereinbarungen zurück. Findet ein Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung Anwendung, und enthält diese eine Vorgabe, Vertragsänderungen in Schriftform zu vereinbaren, so ist diese zwingend zu beachten.
FAZIT
Dem digitalen Arbeitsvertrag stand und steht nichts im Weg – nur die Pflichten nach dem NachwG legten es nahe, einen Vertrag schriftlich und persönlich unterschrieben im Original abzuschließen, da so ein weiterer Nachweis der vereinbarten Arbeitsbedingungen in Schriftform entbehrlich wurde. Die neue Rechtslage erlaubt den Nachweis in Textform (bzw. den Vertragsschluss in Textform als Nachweisersatz), die auf digitalem Wege ohne weiteres einzuhalten ist. Verlangen Arbeitnehmer einen Nachweis in Schriftform, ist dieser nach dem NachwG auszuhändigen. Dies gilt zumindest für Wirtschaftsbereiche, die nicht anfällig für Schwarzarbeit sind. Besondere Schriftformerfordernisse, insbesondere bei befristeten Arbeitsverträgen, sind aber auch weiterhin zu beachten. Gleiches gilt für vertraglich vereinbarte Formerfordernisse, wobei eine solche Klausel oft unbeachtlich sein wird, wenn sie nicht Gegenstand von individuellen Vertragsverhandlungen war. Etwas anderes gilt für Formklauseln in Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen. Und auch die Vertragsbeendigung, sei es durch Kündigung oder Aufhebungsvertrag, hat stets zwingend in Schriftform zu erfolgen.
Wichtig ist beim digitalen Vertragsschluss, diesen ausreichend zu dokumentieren, um in etwaigen Streitigkeiten nachweisen zu können, worauf sich die Parteien genau verständigt haben.
meditaxa Redaktion