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Gesetzlich Versicherte sollen schneller und leichter einen Arzttermin und Einblick in ihre Behandlungsdaten bekommen. Auch die Krankenkassen werden mit dem neuen Gesetz dazu verpflichtet, ihren Versicherten bis zum Jahr 2021 elektronische Patientenakten anzubieten. Der Zugriff auf die jeweiligen Daten soll außerdem auch ohne Einsatz der elektronischen Gesundheitskarte mit Smartphone und Tablet erfolgen können: viele Neuerungen, die darauf angelegt sind, für Patienten einen positiven Mehrwert zu schaffen. Zumindest hat der Gesetzgeber auch einige Neuerungen in das Gesetz eingearbeitet, die sich trotz der vielen „Einschnitte“ für Praxisinhaber vorteilhaft entwickeln können.
Die wichtigsten Regelungen des TSVG im Überblick:
Erhöhung der Mindestsprechstunden pro Woche
Für Vertragsärzte mit einem vollen Versorgungsauftrag wurden ab
sofort die Mindestsprechstunden pro Woche von 20 auf 25 Stunden erhöht. Ein
halber Versorgungsauftrag wird anteilig mit 12,5 Sprechstunden pro Woche
berechnet.
Offene Sprechstunden
Bestimmte Facharztgruppen – die der grundversorgenden und
wohnortnahen Versorgung – müssen ab dem 01. September 2019 fünf Stunden pro
Woche als offene Sprechstunde anbieten. Diese Regelung gilt für Frauenärzte,
HNO-Ärzte und konservativ tätige Augenärzte. Einzelheiten zur Anrechnung auf
die Mindestsprechstunden und zu den Arztgruppen, die offene Sprechstunden
anbieten müssen, bestimmen die KBV und der GKV-Spitzenverband innerhalb von
drei Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes.
Terminservicestellen (TSS)
Die bundesweiten TSS sollen bis zum 01. Januar 2020 Servicestellen
für ambulante Versorgung und Notfälle werden. Als Zentrale für die ambulante
Versorgung vermitteln die TSS Patienten Termine zu Haus- und Fachärzten. Dabei
darf die Wartezeit auf einen Termin einen Zeitraum von vier Wochen nicht
überschreiten. Eine Anfahrtszeit von 30 Minuten gilt bei Hausärzten, eine
Anfahrtszeit von 60 Minuten bei speziellen Ärzten für die Patienten als
zumutbar, da kein gesetzlicher Anspruch auf einen bestimmten Arzt besteht.
Vermittlung der Terminservicestellen
Die Patienten werden nach dem TSGV auch von den Servicestellen bei
der Suche nach dauerhaft versorgenden Haus-, Kinder- und Jugendärzten
unterstützt.
Soforttermine in Notfällen
Eine Sofortvermittlung findet nur in Akut-, bzw. Notfällen statt.
Dabei werden die Patienten auch während der Sprechstundenzeiten an Arztpraxen, Notfallambulanzen und
Krankenhäuser vermittelt.
U-Untersuchungen
Kindervorsorgeuntersuchen fallen auch unter die Vier-Wochenfrist,
wenn es um eine Terminvermittlung geht.
Psychotherapeutische Akuttermine
Die Wartezeit bei psychotherapeutischen Notfällen darf höchstens
zwei Wochen betragen.
Rund-um-die-Uhr-Service: 116117
Ab 2020 ist geplant, dass die Terminservicestellen unter der
Bereitschaftsnummer 116117 zu jeder Zeit erreichbar sind. Ein Termin soll
zukünftig auch per App vereinbart werden können.
Extrabudgetäre Vergütung für Patienten, die von der
TSS kommen
Ab dem 01. September 2019 können Ärzte Leistungen an Patienten, die
von der Terminservicestelle vermittelt wurden, extrabudgetär abrechnen – alle
Leistungen im Behandlungsfall und im Quartal. Darüber hinaus können sie auch ab
September einen Zuschlag auf die Versichertenpauschale ansetzen, der sich nach
der Länge der Wartezeit auf einen Termin richtet:
Extrabudgetäre Honorierung
Vermittelt ein Hausarzt erfolgreich einen dringenden Termin an
einen Facharzt, erhält der Hausarzt ab dem 01. September 10 Euro extrabudgetär.
Weiterbehandelnde Fachärzte erhalten alle Leistungen im Behandlungsfall
extrabudgetär vergütet.
Die Annahme neuer Patienten: Extrabudgetäre Vergütung
Nehmen niedergelassene Vertragsärzte neue Patienten an, erhalten
sie für die Behandlung ab dem 01. September 2019 eine extrabudgetäre Vergütung
für alle Leistungen im Behandlungsfall und im Quartal.
HINWEIS
Als neue Patienten gelten
alle, die zum ersten Mal in einer Praxis behandelt werden und alle Patienten,
die mindestens zwei Jahre nicht vorstellig geworden sind.
Offene Sprechstunden
Eine
weitere extrabudgetäre Vergütung können Ärzte erwarten, die Leistungen in den
sogenannten offenen Sprechstunden erbringen. Eine Überweisung der Patienten ist
in dem Fall nicht notwendig.
Ärztliche Versorgung auf dem Land
Ärzte
auf dem Land sollen durch das TSVG obligatorische regionale Zuschläge erhalten.
So soll die medizinische Versorgung in ländlichen Regionen verbessert werden.
Ärzte in unterversorgten Regionen
KVen
müssen in unterversorgten Gebieten eigene Praxen, mobile oder telemedizinische
Versorgungsalternativen anbieten (siehe beispielsweise Xtra kurz: „Nächster
Halt: Medizinische Versorgung.“).
Ausbau der Vergütungsanreize durch Strukturfonds
Die
Strukturfonds der KVen werden verpflichtend auf bis zu 0,2 Prozent der
Gesamtvergütung angehoben und ihre Verwendungszwecke erweitert. Dieses Geld
kann in Zukunft für Investitionskosten bei Praxisübernahmen verwendet werden.
Mehr Schutz vor Regressen
Wenn
Ärzte im Vergleich zum Fachgruppendurchschnitt zu viele Hausbesuche machten,
konnte sich diese Tatsache bei einer Wirtschaftlichkeitsprüfung als sehr
negativ erweisen, Regressdrohungen waren die Folge. Durch das TSVG können
niedergelassene Ärztinnen und Ärzte nun Praxisbesonderheiten – beispielsweise
eine Landarztpraxis, die die Versorgung von Pflegeheimen übernimmt oder die
Versorgung bestimmter Patientengruppen mit schweren Erkrankungen – vorab von
den Prüfstellen anerkennen lassen, um Wirtschaftlichkeitsprüfungen zu
vermeiden.
WEITERE
NEUERUNGEN
Das Terminservice- und Versorgungsgesetz hält zumindest das Versprechen von „Mehr Leistung für mehr Vergütung“. Es ist abzuwarten, wie immens sich die vielen Regelungen auf die Praxisorganisation auswirken, denn all das wird den ohnehin schon erheblichen bürokratischen Aufwand in den Arztpraxen noch deutlich erhöhen. Zumindest profitieren die (Kassen-) Patientinnen und Patienten vom TSVG, denn in Zukunft sollte ein Arzttermin so einfach zu bekommen sein, wie ein Essen bei einem Lieferdienst zu bestellen.
Meditaxa Redaktion | Quelle: www.bundesgesundheitsministerium.de | TSVG-GE_Bundestag.pdf, A&W 06/19