„Wenn die Erde krank ist, kann der Mensch nicht gesund sein“ (Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit): extreme Hitzewellen, die die Sterberate in Deutschland um 10 Prozent erhöhen, Flutkatastrophen, die für materielle Schäden sorgen sowie schwere Folgen für die Landwirtschaft haben und das Aufkommen von Stechmücken begünstigen, die wiederum tropische Krankheiten auch hierzulande vermehrt übertragen – all das reicht aus, um klar zu machen: Der Klimawandel hält nicht gerade erst Einzug in Deutschland – er ist längst da.
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Dabei rückt der Gesundheitssektor immer weiter in den Fokus, wenn es um Klimaschutz und nachhaltiges Handeln in unserem Leben geht. Betrachtet man die Werte der Treibhausgasemissionen allein in Deutschland, die aus dem Gesundheitswesen stammen – 5,2 Prozent – und rechnet diese auf den globalen Anteil um, kommt man zu einem erschreckenden Ergebnis: Wäre das Gesundheitswesen ein Land, würde es sich mit einem globalen Anteil von 4,4 Prozent hinter China, den USA, Indien und Russland als fünftgrößter Emittent weltweit wiederfinden.
Es gibt bereits einige Akteure im Gesundheitswesen, die gezielt ihre Arbeitsbereiche umgestellt haben: eine umweltschonende Praxisorganisation mit energieeffizienten Elektrogeräten, sinnvolle Heiz- und Lüftungskonzepte, möglichst papierloses Arbeiten und falls doch, kommt umweltfreundliches Material zum Einsatz. Diese Umstellungen können sowohl einen Beitrag zum Klimaschutz leisten, als auch den Praxisgeldbeutel schonen – ein doppelter Gewinn sozusagen. Mit diesem Grundsatz – des doppelten Gewinns – kann man bei seinen Patienten ansetzen, wenn man einfach „mehr“ tun möchte. Schließlich sind Ärzte nicht nur dazu da, Krankheiten zu behandeln, der Erhalt der Gesundheit sollte auch eine wesentliche Rolle im Gesundheitswesen spielen. Denn wer klimabewusst und nachhaltig lebt, tut nicht nur etwas für den Planeten auf dem er sich bewegt, sondern auch für seine eigene Gesundheit.
Eine klimabezogene Beratung sollte allerdings von den Patienten nicht als aktivistisch empfunden werden, demnach braucht es Fingerspitzengefühl bei diesem sensiblen Thema, das leider viele als „ausgelutscht“ deklarieren. Man sollte also unbedingt politische Ansätze vermeiden. Beispielsweise kann bei den Check-Up-Untersuchungen und dem abschließenden Beratungsgespräch auf umweltbezogene Faktoren eingegangen werden, im Sinne der Gesundheit – klagen Patienten z. B. über wiederkehrende Rückenschmerzen, kann ein Grund dafür sein, dass sie einfach viel sitzen. Gerade bei der Arbeit am Computer kann ein Bewegungsmangel und eine starre Haltung über mehrere Stunden durch regelmäßige Bewegung erfolgreich kompensiert werden. Steigen unsere Rückenschmerz-Patienten nach dem Besuch beim Arzt und der klimabezogenen Beratung bei ihren alltäglichen Wegen aufs Fahrrad um, statt mit dem Auto zu fahren, oder gehen zu Fuß, leisten sie nicht nur einen wertvollen Beitrag für die CO2-Bilanz, sondern auch für ihre eigene Gesundheit.
Das ist nur eines von vielen Beispielen, wie die klimabezogene Beratung funktioniert – Inspirationen zur möglichen Gestaltung rund um die Beratungsansätze sowie Konzepte für eine nachhaltige Arztpraxis, finden Sie am Ende unseres Leitartikels unter „Links“.
Damit sich der „Aufwand“ zumindest finanziell lohnt, kann man die klimabezogene Beratung mit der regelmäßigen Gesundheitsuntersuchung, dem sog. Check-Up – gesetzlich Versicherte haben entsprechend der Gesundheitsrichtlinie der G-BA einen Anspruch darauf – kombinieren und dementsprechend abrechnen. Versicherte zwischen 18 und 34 Jahren können den Check-Up einmalig in Anspruch nehmen und ab dem 35. Lebensjahr alle drei Jahre. Der Check-Up mit der GOP 01732 ist im EBM mit 326 Punkten bewertet und umfasst eine ausführliche Anamnese sowie eine körperliche Untersuchung, Laboruntersuchungen aus Blut und Urin und eine umfangreiche Aufklärung sowie abschließende Beratung. Hier kann klimabezogene Beratung integriert werden, da Ärzte nach Vorgaben des G-BA im Rahmen der Beratung u. a. die Wahrscheinlichkeit von Herz-Kreislauf-Störungen, das Ernährungs- und Bewegungsverhalten sowie das Stressmanagement besprechen sollten. Wenn man bei der klimabezogenen Gesundheitsberatung auf zeitliche Probleme stößt, ist es legitim, bei einer aufwendigen Beratung zusätzlich noch das ärztliche Gespräch mit der GOP 03230 anzusetzen (03230 entspricht aktuell 14,24 Euro, kann jeweils für volle zehn Minuten Gesprächsdauer abgerechnet werden) – allerdings kann diese Position nur von Hausärzten, nicht von fachärztlich tätigen Internisten angesetzt werden.
Ärzte, die die klimabezogene Beratung ernst nehmen, sollten allerdings darauf achten, dass sie nicht durch zu viele problemorientierte Gespräche im Rahmen einer Plausibilitätsprüfung nach Zeitprofilen auffällig werden.
Hausärzte mit der Zusatzqualifikation zur Erbringung psychosomatischer Leistungen nach § 5 Abs. 6 der Psychotherapie-Vereinbarung können für ihre klimabezogene Beratung in Einzelfällen auch die GOP 35100 bzw. die GOP 35110 abrechnen. Beide Positionen werden aktuell mit 21,47 Euro honoriert, dürfen aber nicht nebeneinander in Rechnung gestellt werden. Die Leistungsbeschreibung der psychosomatischen Grundversorgung nennt zwar keine Diagnosen, aber um Streichungen zu vermeiden, sollte man bei den Angaben an den festgelegten Indikationen in der Psychotherapie-Richtlinie § 26 Abs. 1 festhalten.
In der Dokumentation ist ein Vermerk über die Zusammenhänge der Störung verpflichtend.
Bei Privatversicherten kann man die klimabezogene Beratung über die Nr. 3 abrechnen. Bei dem Beratungsgespräch muss darauf geachtet werden, dass es mindestens zehn Minuten dauert und entweder als einzige Leistung in Rechnung gestellt wird, oder in Zusammenhang mit einer Untersuchung nach den Nrn. 5, 6, 7, 8, 800 oder 801 abgerechnet wird. Längere Gespräche werden mit dem entsprechendem Faktor gesteigert.
Klimabezogene Beratung sollte in die Gesundheitsuntersuchung als fester Bestandteil integriert und entsprechend auch honoriert werden – das ist eines von vielen Zielen, das Ärzte, die bereits ein aktives Engagement für den Klimaschutz vorweisen, anstreben. Bis es offiziell soweit ist, kann jeder Einzelne in der „Praxis“ seinen Beitrag leisten, denn: Viele Tropfen ergeben ein Meer und wenn man dabei noch die Gesundheit der Patienten fördern und erhalten kann, ist das eine Win-Win-Situation für Mensch und Planet.
www.globalfamilydoctor.com
www.klimawandel-gesundheit.de
www.wwf.de
www.bund.net
„Klimasprechstunde“ in der Hausarztpraxis
www.hausarztpraxis-dr-med-ralph-krolewski.de
Klimaneutrale Apotheke
– ein Nachhaltigkeitskonzept für eine Apotheke aus Berlin mit insg. vier Standorten www.mediosapotheke.de
meditaxa Redaktion